Herrn Landrad

 

Als ich noch wesentlich jünger war, arbeitete ich in der Kreditabteilung einer Sparkasse im Allgäu. Die Bank war exakt in die 2 Zuständigkeitsbereiche der Vorstandmitglieder geteilt.

Der eine war für das Anlagegeschäft zuständig, also wenn die Leute Sparbücher anlegten, Sparbriefe für 7 Jahre kauften, damit sie sich um die Geldanlagen nicht mehr kümmern brauchten und Wertpapiere. Ihm unterstand also auch die gesamte Schalterhalle mit Kassen, Beratungsplätzen etc.

Der andere Sparkassenvorstand im 1. OG war zuständig für die Kreditvergabe. Die Bank konnte immer nur das teuer ausleihen, was die Kunden billig, oder preiswert an Sparkonten oder Sparbriefen bei der Sparkasse gekauft haben.

So konnte ich grundlegende Erkenntnisse aus der Aufteilung der Banken ziehen, unten sitzen die netten freundlichen jungen Damen, die nett zu den Kunden sind, sie freundlich beraten um dann möglichst billig oder preiswert für die Sparkasse an deren Geld zu kommen.
Am schönsten für eine Bank ist natürlich, wenn die Kunden ihre sauer verdienten Spargroschen auf dem Kontokorrentkonto zinslos liegen lassen, ein bestimmter Bodensatz bleibt immer, man geht in der Regel von 30% aller Einlagen aus, die die Bank täglich zins- und damit kostenlos hat und als täglich fälliges Geldmarktkonto bei ihrer Zentralbank einlegen kann. Das sind die besten Bankgeschäfte.

Die andere Seite, die Kreditvergabe hat auch die Kontokorrent-Überziehungen als die beste Erträgnisseite der Bank, so kostet der normale Kontokorrent-Kredit ca. 13% Zinsen, und wenn keine Kreditlinie vereinbart wurde, weil es ja nur kurzfristig gebraucht wird, steigt der Zins noch mal um 3-5 %. Also Kontokorrentkredite kosten dann 18% Zinsen, was auch bei einer seriösen Sparkasse der Normzins ist.

Alles andere bringt keinen so guten Gewinn für die Sparkasse oder Hausbank.

Diese Sparkasse im schönen Allgäu hatte nun 2 Vorstandsmitglieder in der Kreisstadt, wo ich arbeitete und ein Vorstandsmitglied in der ehemaligen Kreisstadt an den Bergen mit nur 18.000 Einwohnern. Eine Stadt die weltberühmt war durch ihre Eishockey-Mannschaft und in der ich auch am 10. Januar 1971 durch die Führerschein-Prüfung fiel. Daher eine historische Stadt. In der gleichen Stadt habe ich -historisch nachgewiesen- am 11. Februar 1971 die Führerscheinprüfung bestanden.

Das nur nebenbei. So hatte diese Gebietssparkasse, die sich über 2 ehemalige bayerische Landkreise erstreckte hunderte von Mitarbeitern und 3 Vorstandsmitglieder.

Der für das Geldanlagegeschäft Zuständige machte bald eine neue ORGANISATION. Man wollte Personal sparen. Ein junger Mann aus dem Odenwald wurde eingestellt. Arbeitsabläufe wurden aufgenommen, mit der Stop-Uhr die Zeit genommen und festgestellt, was man weglassen oder vereinfachen könnte.

So erinnere ich mich, dass für die Jubiläen und Geburtstage ein Plan entwickelt wurde, zu welchen Geburtstagen die Sparkasse gratulieren sollte, wer unterschreibt und ab wann man eine Flasche preiswerte Wein kredenzen wollte.

Es begann bei 50 Jahren, hier schrieb der damals 35-jährige Bankvorstand für das Anlage-Geschäft:

"Diese Leute sind teilweise sehr alt ! Zunächst ist einmal zu prüfen, ob sie überhaupt noch leben!"

Das habe ich mir gemerkt, denn jetzt im Jahr 2003, wo ich 50 geworden bin, hat mir keine Bank gratuliert. Einmal habe ich bei dieser Sparkasse an der Tiroler Grenze kein Konto mehr und bei meiner letzten Volksbank in Hohenloe, bei der ich bis zum Beginn des "Aufbau Ost" gearbeitet habe, setzte man dann ganz andere Grundlagen.

Ein Konto, das 5 Jahre unverändert ohne Bewegungen geführt wurde, wurde ausgebucht. Aber nur, wenn es ein Guthabenkonto war. So hatte die Bank noch geringe Nebeneinnahmen und weniger Arbeit mit der Überwachung.

Gratulationen bekamen die Kunden nur ab 70 Jahre Lebensalter und nur dann wenn das Mindest-Guthaben bei DM 250.000,-- lag. Wer hat das schon?

Der Sparkassen Vorstand, der für das Anlage-Geschäft zuständig war, verantwortete auch die jährliche Zustellung der Bilanz an den Vorsitzenden des Beirates, das grundsätzlich der Landrat ist. Hier war es ein Herr Müller von der CSU.

Der Beirat war außerdem zuständig für die Kreditvergaben der Großkredite. Das waren aber wenige, Ahnung hatte auch keiner der Beiräte, weil ja keiner in der Sparkasse gearbeitet hat. So konnte der Kredit-Direktor frei schalten und walten, wie er wollte.

Die Bilanz wurde also mit Schreibmaschine geschrieben, kopiert, vervielfältigt, auch für die Presse in Kurzabdruck und die Bilanz mit allen Anlagen sollte von der Vorstandssekretärin dem Herrn Landrat persönlich ins Landratsamt gebracht werden.

Die Bilanz wurde noch gebunden (wie ein Buch) und zwischen 2 Aktendeckel vom Hausmeister wie ein Buch eingeklemmt. Auf der Vorderseite beschriftete die Sekretärin vom Anlage-Vorstandsmitglied noch mit Filz-Stift:

"H E R R N L A N D R A D "

und wollte gerade los, als ich dazu kam. Mich wunderte die Schreibweise und ich fragte: "Seit wann schreibt man denn Landrat mit D hinten?"

Jetzt erst fiel der Schreibfehler allen auf, die Bilanz musste ent-bunden werden, der Hausmeister wurde gerufen und die Bilanz wurde einen Tag mit Verspätung an den

"H E R R N L A N D R A T"

persönlich überbracht, der bestimmt nicht hineingesehen hat und das Ganze sicher in einen Schrank geschoben hat.

Die Sekretärin war mir danach immer böse.

Erinnerungen von Siegfried Schmidt 2004




 

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