Radetzky Marsch

 

Mein Allgäuer Schriftsteller-Kollege aus Kempten im Allgäu
Alfred Weitnauer
hatte ein Buch geschrieben. Titel:" Sing nicht Vogel" !


Ich hatte es verschlungen, so gut war es geschrieben. Es handelte von einem katholischen Pfarrer um 18... und von seiner Haushälterin in einem kleinen schwäbischen Ort an der Iller, nördlich von Kempten.

Der Herr Pfarrer war aus dem Krieg zurück gekommen, wo er als Militär-Pfarrer gedient hatte. Nun ließ er an jedem Sonntag vor der Heiligen Messe zum Auftakt einen Militär-Marsch auf der Kirchenorgel spielen.

Seine Gottesdienste waren schon aus diesem Grund immer sehr gut besucht. Bis zum Bischof drang die Kunde und er wollte dem Einhalt gebieten, besuchte den Herrn Militär-Pfarrer a.D. und erlebte sein Blaues Wunder. Lesen Sie selbst dieses herrliche Allgäuer Buch.

Immer schon dachte ich bei mir: Muss sich doch herrlich anhören, eine große Orgel und die vielen Pfeifen und dann einen Marsch.

So bat ich auf Rügen unseren Pfarrer Metz aus Groß Zicker, mir doch jedes Jahr auf der Göhrener Kirchenorgel zum Geburtstag am 28. Januar den Radetzky Marsch zu spielen.
Unmöglich der Schmidt, kommt gar nicht in Frage!

Ich fragte den alten Kantor der Marienkirche zu Bergen und auch er meinte: Unmöglich, so was mache ich nicht, auch wenn ich schon über 40 Jahre Kantor der Marienkirche in Bergen war. Fragen Sie doch mal meinen Nachfolger, der ist modern eingestellt, der ist jung, der macht so was vielleicht!

So rief ich Frank Thomas, den neuen Kantor der Marienkirche in Bergen an.

Natürlich, mache ich gerne, wenn ich dafür eine Spende für die Orgel bekomme. Wir haben so wenig Geld und die Kirche muss dringend repariert werden. Ich wurde nach Bergen eingeladen und zusammen erklommen wir die Orgel, Baujahr 1909, in Stettin hergestellt.

Für meinen 50. Geburtstag am 28. Januar 2003 machten wir den Termin aus.

Zurück in meine Schwäbische Wahlheimat nach Türkheim in Bayern gekommen, wo ich seit 1980 wohne, fragte ich den dortigen langjährigen katholischen Kirchenmusiker, der schon über 20 Jahre im Amt ist.
Studiert an der Fachakademie für Musik in Augsburg, Konservatorium. Auch dirigierte er den katholischen Kirchenchor. Auch mein Vater Hilard Schmidt, der im evangelischen Kirchenchor von Türkheim mit sang bis zu seinem Tod 1989 , war begeistert von

Franz Eimansberger katholischer Kirchenmusiker der Katholischen Kirche in Türkheim

Schon im Dezember 2002 war es soweit. Mit meiner Lebensabschnittsgefährtin Ruth Hauer, die aus Sassnitz auf Rügen stammt, ging ich abends um 20.30 Uhr zur Kirche, die in Sichtweite zu meiner türkheimer Wohnung liegt. Herr Eimansberger wartete schon auf uns beide. Zunächst hatte er warten müssen, bis der Herr Pfarrer im Bett lag, gegenüber in seinem Pfarrhaus. Der sollte das nicht mitbekommen. Der hochwürdige Herr Pfarrer von Türkheim hätte sicher etwas dagegen gehabt, dass der Radetzky-Marsch auf seiner Kirchenorgel gespielt wird, dafür noch für den ehemaligen Meister vom Stuhl der Rosenkreuzer Loge in Augsburg. Gleich hinter uns wurde die Kirchentür sorgfältig verschlossen.

Ich durfte sogar mit auf die Orgel und zusehen, wie er in die Tasten griff. Zuerst ein schnelles italienisches Stück. Mein Ruthchen aus Sassnitz hatte sich ein bestimmtes Orgelstück, "Heilig, heilig, heilig von Franz Schubert" gewünscht, auch dieser Wunsch wurde erfüllt. Und dann die Krönung des Abends auf dieser erst 1998 für DM 600.000,-- neu gebauten Orgel.

Der Radetzky-Marsch gespielt von Franz Eimansberger

für mich ganz allein gespielt.

Ein Jugendtraum ging an diesem Abend für mich in Erfüllung. Ich kann es nur jedem Musikliebhaber wünschen, sich einmal den Radetzky-Marsch auf einer Kirchenorgel spielen zu lassen.

Und zu meinem 50. Geburtstag, dem 28.1.2003 war ich wieder auf meiner Heimatinsel Rügen. Es war kalt, meine Mutter mit 89 Jahren wurde mit zur Marienkirche gefahren und zusammen mit dem Bergener Heimatpfleger Uwe Hinz, meiner Mutter Liselotte und meinem Ruthchen hörte ich die Orgelstücke, die sich meine Mutter vom Kantor

Frank Thomas

gewünscht hatte. Bei 2 Grad unter Null saßen wir dicht aneinander gedrängt in der Marienkirche und lauschten diesem besonderen Musikgenuss. Den Radetzky-Marsch konnte Kantor Thomas angeblich bei dieser Kälte nicht spiele, weil die Orgelpfeifen das nicht mitgemacht hätten!=?

Bald traf ich den Pastor Metz aus Groß Zicker und den alten Kantor der Marienkirche Bergen bei einem Fest im Mönchguter Museum in Göhren und erzählte: Endlich ist mein Jugendtraum in Erfüllung gegangen und mir wurde der Radetzky-Marsch auf der Kirchenorgel gespielt.
Der alte Kantor von Bergen sang noch einige Anfangsmelodien des Marsches vor.

Beide schüttelten fast ungesehen den Kopf und unsere Wege trennten sich wieder.

Zur Sanierung der alten Kirchenorgel von der Marienkirche in Bergen habe ich bald die Orgelpatenschaft übernommen und die Überholung der größten Pfeife der Orgel gesponsert.
Eine Presseerklärung gab ich der Ostsee-Zeitung nach Bergen mit dem Inhalt:

"Nachdem einige Zeitgenossen auf der Insel Rügen mir nachsagen, ich wäre die Größte Pfeife, die auf der Insel Rügen herumläuft, habe ich die Patenschaft für die größte Orgelpfeife der Marienkirche übernommen", und machte einen Spendenaufruf, dass noch mehr Rüganer Patenschaften für die einzelnen Orgelpfeifen übernehmen sollten, damit die Orgel wieder restauriert werden kann.

Einige Spenden folgten, dann kam eine Presse-Veröffentlichung der Ostsee-Zeitung, dass man einige Manuale der alten Orgel auf dem Dachboden gefunden habe und diese Pfeifenpatenschaften wurden auf ein Minimum beschränkt. Meine Urkunde für die Übernahme der Orgelpfeifenpatenschaft wurde in meinem Hoteleingang in Göhren verewigt.

Aufgeschrieben von Siegfried Schmidt, 28.1.2004 Ostseebad Göhren/Rügen


 

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