Der letzte Heuler

 

In meiner Genossenbank in Bad Wörishofen hatten wir einen jungen Mitarbeiter, der die Damenwelt um jeden einzelnen Finger wickeln konnte. Er sah zwar nicht besonders aus, aber das Hemd war stets bis fast zum Bauchnabel aufgeknöpft so dass man die behaarte Brust besser sah.

Gerade die jungen Mädchen waren begeistert. So auch die Sachbearbeiterin für Kontoauszüge und Scheckausgabe. Die ausgegebenen Scheckhefte wurden bei mir kontrolliert, und gerade wenn es um Euro-Schecks ging, wurden diese in die EDV eingegeben. So sah man anhand des täglich neu ausgestellten Mikrofilms, wie viele EC-Schecks ausgegeben und der Bank noch nicht zur Zahlung vorgelegt waren.
Als die Zahl 50 erreicht war, gab ich der Sachbearbeiterin die Anweisung: Künftig keine EC Schecks mehr an diesen Mitarbeiter ausgeben.

Der junge Mitarbeiter war empört. Schließlich stand es an, dass er die Bank verließ und zwangsweise zur Bundeswehr sollte. Das Arbeitsverhältnis war beendet und er kam nach Roth bei NÜRNBERG, wie die Scheck-Sachbearbeiterin verlauten ließ.

Ein EC-Scheck nach dem anderen kam über 400,-- DM, jeweils mit der EC-Kartennummer versehen, den die Bank dann zähneknirschend einlösen musste. Briefe wurden ihm geschrieben, aufgefordert, die EC Scheckhefte zurückzugeben und keine ungedeckten Schecks mehr auszustellen.

Keine Antwort ! Dann ein böser Brief an mich! Ich hatte seine EC Karte für Geldautomaten sperren lassen. Die Karte wurde eingezogen und er bekam sie nicht wieder, dafür bekam ich sie per Post von der einziehenden Bank.

Als nächstes folgte ein Brief von mir an die Standortverwaltung Roth bei Nürnberg mit der Bitte um Amtshilfe und Einziehung der noch nicht ausgestellten 34 EC-Schecks. Mit unterschrieben nach dem 4 Augen-Prinzip der Banken auf der linken Seite vom Vorstandsvorsitzenden der Bank.

Zunächst ein Brief vom Standort-Ältesten so nennt man das, obwohl er nicht der Älteste war mit allen noch ausstehenden Schecks, wir bedankten uns höflich.

Dann einen Brief vom ehemaligen Mitarbeiter an unsere Bank, den wir bald als Muster in der ganzen Bank herumreichten.

Überschrift: Der Schmidt ist der letzte Heuler und der Vorstandsvorsitzende F. ist der zweitgrößte!

Die gesamte Kaserne musste auf dem Exerzierplatz antreten. Dann wurde vorgetragen: Brief der Genossenbank aus Bad Wörishofen, ein ehemaliger Bankmitarbeiter hat sich über 50 EC Schecks erschlichen und mehrmals ungedeckte Schecks ausgestellt. Alle Mahnungen hatten keinen Erfolg, freiwillig schickt er die Schecks nicht zurück, statt dessen lebt er über seine Verhältnisse und gleicht auch die Kontoüberziehung nicht aus, die ständig noch höher wird.

"Wer ist das gewesen!" brüllte der Spieß über den Platz. Niemand meldete sich. "Müller, vortreten! Sie waren das, jetzt sofort alle Schecks her!"

Gerne hätte ich mit angesehen, wie der Gernegroß so klein geworden ist. Sooo klein.

Meinen Spitznamen" Der letzte Heuler" hatte ich weg.


Siegfried Schmidt, Erinnerungen 2004


 

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