Beim
Papst in Rom
Bald nach der angeblichen "Wende" zum Besseren in der DDR wurden die Grenzen geöffnet. Das Volk strömte in alle Welt und wollte durch Reisen nachholen, was man bisher nur im Fernsehen gesehen hatte und wovon man bei Reisen in die sozialistischen Bruderländer geträumt hatte.
Eine Küchenhilfe des Erholungsheimes der Staatssicherheit im Ostseebad Baabe war auch dabei. Nie hatte sie das sozialistische Heimatland verlassen dürfen, nur einen Winter über hatte sie im Harz bei Wernigerode in einem anderen Stasi-Erholungsheim als Küchenhilfe mitarbeiten dürfen, um mal etwas andere Luft um die Nase zu haben.
Jetzt kaufte sie sich eine Karte am Bahnhof der Reichsbahn in Göhren und fuhr mit dem Zug. Eine Fahrt, von der sie ihr ganzes langes Leben geträumt hatte.
Von Göhren
nach Putbus mit der Schmalspurbahn. Hier kannte sie sich noch aus. Umgestiegen
in die Normalspurbahn nach Bergen. Hier traf sie noch Bekannte aus dem Erholungsheim
des Zentralkomitee der SED in Sellin, dem späteren "Cliff Hotel".
Die Weiterfahrt über Stralsund in die Hauptstadt der DDR, Berlin.
Umsteigen in einen IC nach München. Überfahren der Staatsgrenze West!
Grenzsperranlagen, an Ketten gehaltene Wachhunde, Kalaschnikow über die
Schulter bei den hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern der Grenztruppen - West.
Das Holpern auf den Schienen hörte auf. West-Standart konnte man jetzt
erleben. Alles hell und schön, viele Autos, wie noch nie gesehen im 2-Takt-Land.
Umsteigen im Kopfbahnhof München in den Zug nach Rom. Über die Alpen war es schon dunkel. "Wie weit ist es denn noch?" wurde der Schaffner gefragt. "No kapisko!" meinte der italienische Wagenbegleiter und ging weiter.
Endlich in Rom
angekommen, ging sie nach dem mitgebrachten Stadtplan zum Vatikan und besuchte
den Papst.
Die Stadt wurde besichtigt und schon nach sehr kurzer Zeit hatte sie Heimweh
zur gewohnten Umgebung, der vertrauten Insel Rügen. Die Rückfahrt
ging schneller, denn es ging ja nach Hause.
In Baabe angekommen, fragte sogleich der Genosse Heimleiter der
"Verwaltung der Ferienheime 2334 Baabe (Rügen), Waldstraße Telefon Sellin 278/380"
"Na, Genossin, wie war es im Westen beim Papst?"
"Ach ganz schön, er war ja nett! Aber Sie, seine Frau ist vielleicht eine blöde Pute!"
Seit dieser Reise 1990 weis man im Ostseebad Baabe, dass die Frau des Papstes
eine blöde Pute ist!
Aufgeschrieben
nach einer wahren Begebenheit vom
Heimatschriftsteller Siegfried Schmidt, Ostseebad Göhren auf Rügen
2004.