Meine Erbtanten Schmidt


 

Ich habe 2 Tanten. Soweit ich mich zurück erinnern kann, wohnen sie in Konstanz. Beide sind Schwestern von meinem Vater, der aus dem Thüringer Wald stammt.

Als ich 1968 erstmals im Thüringer Wald in Merbelsrod bei Eisfeld, bei meinem Urgroßvater zu Besuch war zu seinem 85. Geburtstag, hatte die Verwandtschaft gerade "Jugendweihe". Ein Plattenspieler war nicht vorhanden, aber ein Tonband mit Thüringer Volksmusik. 2 junge Mädchen sangen zum Akkordeon:

"Die Männer sind alle Verbrecher!"

"Weist Du wer das singt? Das sind Deine beiden Tanten, die jetzt in Konstanz wohnen!"
erklärte mir meine Großtante. Meine Großtante erwies sich um 3 Jahre jünger als mein Vater.
Ob er wohl als Kind immer "Tante" zu ihr gesagt hat?

So war es wohl auch im täglichen Leben, denn seit ich meine beiden Tanten in Konstanz kennen gelernt habe, haben sie beide keinen Mann erwischt. Frauen brauchen so was zum täglichen "abreagieren des Lebensfrustes" , sonst werden sie komisch.

Komisch war es auch, als sich beide Tanten einmal kräftig in die Wolle bekommen haben. Sie sprachen nicht mehr miteinander. Die jüngere von beiden ist ein 2 Zentner Weib, die ältere spindeldürr. Die ältere war als Krankengymnastin tätig, arbeitete in einer eigenen Praxis in einer belebten Straße in Konstanz dicht am Bodensee und walkte die Leute richtig durch.

Eines Tages erzählte meine Großmutter meinem Vater am Telefon: "Stell Dir mal vor, Hilard, der Polizist St. aus Wollmatingen war bei uns zu Besuch, der war doch früher der Freund von unserer Ältesten. Nun kam die auch zu Besuch und unsere Jüngste war mit ihm in ihrem Zimmer. Was die für einen Radau geschlagen hat, ihr Freund bei ihrer Schwester!"

Es muss sich aber bald wieder gegeben haben, der Polizist St. aus Wollmatingen war längst Opa und gut verheiratet.

Von jüngsten Tagen an erklärte mir die ältere Tante: "Du wirst mal mein Erbe!"
Ständig dachte ich so als kleines Kind bei mir, das sei etwas besonderes. Aber als mein Vater 1989 verstorben war, rückte meine ältere Tante bei meiner Mutter in Türkheim an und erklärte:

"Du verkaufst jetzt das Haus, gibst uns beiden Schwestern das ganze Geld und gehst selbst ins Altersheim. Unser Bruder musste Dich lange genug ernähren!" (38 Jahre waren meine Eltern verheiratet)

Jetzt wusste ich, wie das ist, wenn man schon als Kind erklärt bekommt: "Du wirst mal mein Erbe!"


Dabei hatte ich gedacht, ich bekäme mal etwas von ihr, ein altes Sofa oder ein abgelegtes Auto, das sie aus Altersgründen nicht mehr fahren darf.

Zum Glück hatte mein Vater seine beiden ledigen Schwestern durchschaut, die alle ihre Geldgeschäfte stets zusammen gemacht hatten, auch Eigentumswohnungen in Konstanz hatten sie zusammen gekauft und stritten jedes Jahr, wenn sie bei der Zusammenveranlagung der Einkommensteuererklärung ihre persönlichen Daten gegenseitig offen legen sollten.

Das Haus hatte ich 1982 aus dem Erlös meines Reihenhauses zu ½ bezahlt, ½ hatte meine Mutter gekauft. So ist es natürlich eine enorme Frechheit der beiden

"Alten Jungfern" - falls nicht der gemeinsame Freund, Herr St dem abgeholfen hat - vielleicht sind es keine Jungfern mehr ?

zu verlangen, meine Mutter und ich sollten unser Haus verkaufen, und den beiden Tanten das Geld geben.

Nun weis ich, was E r b t a n t e n sind!

S i e wollen erben !

Aufgeschrieben von Siegfried Schmidt, Göhren/Rügen 01/2004-







 

 

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